Wenn jemand sagt »Tatsache ist …«, dann wissen wir, dass das, worum es ihm geht, strittig ist. Gemeint ist allerdings mit einer solchen Redewendung umgekehrt, dass es eigentlich gar keine Diskussion darüber geben dürfte.
Was sind denn eigentlich »Tatsachen «? Es sind weder in sich evidente Wahrheiten noch Meinungen, sondern ein merkwürdiges Mittleres, für das es keine erklärende Notwendigkeit gibt, sondern bloße Feststellung. Aber solche »Tatsachen « kommen nicht ohne Einbettung in Zusammenhänge vor, die unsere von Irrtümern bedrängten Interpretationen brauchen. Diese entstehen in der von uns geleisteten Arbeit des Zusammenschauens und Beurteilens von Sachverhalten, die auch anders sein könnten.
Wer die Früchte seines Zusammenschauens hinter der Anführung von »Tatsachen« versteckt, der überspringt die Grenze zwischen der gemeinten Sache und seiner Auffassung. Er überspringt die Einbettung der Tatsachen und suggeriert, dass es auch für seine Interpretationen keinen Irrtum geben kann und Andersdenkende deshalb nicht irren, sondern lügen. Damit werden eigenartige Zwitterwesen freigesetzt, die zwischen der Beanspruchung von Unumstößlichkeit und der Angewiesenheit auf Zustimmung schillern und uns alle bedrängen, wie die Dämonen den heiligen Antonius auf bekannten Altarbildern.
All das gehört unumgänglich in die Chaoszone des Schwellengangs, auf dem sich die Menschheit heute befindet. Einzelne Menschen bilden ein Bewusstsein für die Schwelle, die zwischen der vorgeburtlichen und der geburtlichen irdischen Welt und dann der nachtodlichen Welt liegt. Zugleich aber überschreitet die ganze Menschheit die Schwelle, allerdings bewusstlos. Das Ertragen und Kultivieren dieser Chaoswirkungen durch die Entwicklung von Schwellenbewusstsein ist der erste Schritt der Einweihung.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Jörg Ewertowski
(Der Text entstammt dem Editorial des Rudolf Steiner Haus-Programmhefts 1. Tertial 2024)
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