Als ich diesen Satz vor kurzem wieder einmal in dem späten und vermächtnishaften Kurs Rudolf Steiners für die Priester der Christengemeinschaft las (GA 346, S. 148), musste ich sofort an die derzeitige Signatur unserer Zeit denken. Der Satz bezieht sich nicht auf das Tragen von medizinischen Masken in einer Intensität, die wir bisher in der Menschheitsgeschichte noch während keiner der so viel gefährlicheren Seuchen wie Pest, Cholera und Spanischer Grippe gehabt haben, sondern darauf, dass sich das eigentlich Menschliche, die wahre Individualität des Menschen hinter dem Beruf, der Stellung in der Gesellschaft oder der Weltanschauung verbirgt. Das hat Hölderlin beispielhaft und schmerzlich erlebt, und in diesem Sinne erwähnt ihn Steiner an dieser Stelle. In der Physiognomie des Menschen, in seinem Antlitz erleben wir wie ein Hereinragen in die Gegenwart das, was aus der ganzen schicksalshaften Vergangenheit kommt und damit unsere Verbundenheit mit Menschen aus dem vergangenen Karma. Die Liebe von Mensch zu Mensch entzündet sich meistens auf diese Weise. Im Blickkontakt, im ersten Lächeln erleben wir das Individuell-Menschliche des kleinen Säuglings.
Nicht nur die gegenwärtige Pandemie, auch die zuvor bereits zunehmende Entindividualisierung, z.B. über die Tendenzen, die menschliche Handschrift über die Tastaturen der digitalen Medien „gleichzuschalten“ fordern einen neuen ethischen Individualismus heraus, eine Kraft, mit der wir im Geiste Michaels und in Geistesgegenwart aus dem „Maskenhaften“ wieder heraustreten. Immer wieder war in unseren Mittwochabenden dieser Geist erlebbar, immer wieder auch der Ausspruch erlebbar, den Rudolf Steiner angesichts einer unmittelbaren Gefährdung einmal tat: „Wer der geistigen Welt dient, dem hilft die geistige Welt!“
René Madeleyn
Kuratorium der Anthroposophischen Gesellschaft Stuttgart
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