Rudolf Steiner baute seine Geisteswissenschaft auf Goethes Naturwissenschaft auf. Er taufte das Dornacher Zentrum „Goetheanum“ und hätte die ganze Anthroposophie gern „Goetheanismus“ genannt. Denn der Goetheanismus ist eine Brücke von der Sinnes- in die Geisteswelt, vom gegenständlichen und abstrakt denkenden Bewusstsein in die konkret erlebte übersinnliche Anschauung. Dieser Weg führt von der hingebungsvollen und präzisen Sinneswahrnehmung über das immer neue, lebendige Vergleichen verschiedener Phänomene zum inneren Nachbilden der Natureindrücke und schließlich zur inspirativen Einsicht und intuitiven Erfahrung der gesetzmäßig schaffenden Ideen. Es ist ein Weg, der die uralte Kluft zwischen Mensch und Welt im inneren Erleben zu überbrücken vermag und dabei sowohl der sinnlichen wie auch der geistigen Erfahrung gerecht werden kann. Auf diesem Weg der Begegnung gibt es weder Gleichgültigkeit noch Dogmatik, weder Verhärtung noch Überheblichkeit, sondern lebendiges, schwebend-gegenwärtiges, erquickendes Spiel.
So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Grundzüge des Goetheanismus auch in den ersten Übungen aus Rudolf Steiners Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ wiederfinden: Die Entwicklung von Ehrfurcht gegenüber Welt und Leben und die Ausbildung eines reichen Seelenlebens durch das innere „Nachklingenlassen“ von Natureindrücken. „Jede Blume, jedes Tier, jede Handlung“, so Rudolf Steiner, werden dem übenden Menschen auf diese Weise „ungeahnte Geheimnisse“ enthüllen. – Wenn man diese Übungen praktiziert, beginnt man erst zu verstehen, welch tiefgreifende Bedeutung sie haben. Tatsächlich ist es gar nicht so schwer, man muss es nur tun.
Damit ist ein Weg angedeutet, auf dem das Denken verlebendigt und im inneren Erleben vertieft werden kann. Die Ausbildung dieses imaginativ anschauenden und erlebenden Denkens ist, so Rudolf Steiner, die große „Zukunftsaufgabe der abendländischen Menschheit“1. Es lohnt sich, daran zu mitzuarbeiten.
Christoph Hueck
(Anm. 1: Rudolf Steiner: Die Flucht aus dem Denken. GA 36, S. 86-90)
| Christoph Hueck
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